(Überlebens-) wichtige Infos und Tipps zur Narkose bei Hund und Katze
Vorsicht vor Billignarkosen!
Immer wieder kommt es vor, dass wir Anrufer am Telefon haben, die nach dem Motto “Geiz ist geil!” die Preise verschiedener Operationen bei uns abfragen. Sie entscheiden sich dann vermutlich für die Kollegen mit den niedrigsten Preisen, ohne nach den Einzelheiten zu fragen, nach dem Motto: Narkose=Narkose.
Falsch gedacht! Es gibt viele verschiedene Arten von Narkosen, die unterschiedlich aufwändig und sicher sind, sich aber deshalb auch im Preis unterscheiden. Der alte Spruch “was nix kostet, ist auch nix”, trifft hier leider meistens zu! Medizinischen Laien fehlt aber das Fachwissen zur kritischen Beurteilung.
Wissen Sie genau, welche Art von Narkose Ihr Tier bei seiner letzten Operation erhalten hat? Es macht durchaus Sinn, die unterschiedlichen Narkoseverfahren einmal genauer zu betrachten!
Seit einigen Jahren gibt es die “Leitline zur Anästhesiologischen Versorgung von Hund und Katze”. Leitlinen dienen als Orientierungshilfen um eine Arbeit nach dem aktuellsten medizinischen Standard zu ermöglichen. Sie können auch bei Gerichtsverfahren als ein Maßstab für sorgfältiges Arbeiten heran gezogen werden. Jeder Tierarzt, der eine Narkose durchführt SOLLTE sie einhalten, um Todesfälle während und nach der Narkose bestmöglichst zu vermeiden, denn deren Zahl ist deutlich höher als in der Humanmedizin!
Welche Narkose benutzt wird, ist in der Regel von der Art/Schwere und Dauer des Eingriffs abhängig, aber auch vom Alter und Gesundheitszustand des Patienten. Bei der Kastration eines jungen Katers, die unter 30 min. dauert, ist eine intramuskuläre Injektionsnarkose (Narkosemittel wird in die Muskeln gespritzt) ausreichend.
Aber: Es werden immer noch hier und dort auch längere bzw. alle Operationen bei Hund und Katze noch so durchgeführt werden, wie es vor mehreren Jahrzehnten mal aktuell war……. das war auch der Grund zur Erstellung der Leitlinie!
Reine Injektionsnarkose (meist intramuskulär):
- ohne Venenkatheter/Dauertropfinfusion
- ohne Intubation
- ohne Überwachung durch geschultes Personal
- ohne zusätzliche Überwachungsgeräte
- ohne, dass das Tier bei der Herausgabe wach und kreislaufstabil ist
- ohne ausreichende Schmerztherapie
Dadurch wird natürlich an den Kosten gespart, aber besonders auch an der Sicherheit der Tiere! Wer von uns möchte, dass er/sie selber so operiert wird?
In unserer Praxis werden alle längeren, größeren Eingriffe nur nach Einhaltung der Leitlinien durchgeführt. Das erfordert natürlich einiges an Organisation, Technik und Zeit:
- Die Patienten sollten in der Regel einige Tage vor der Narkose einem Narkosecheck und evtl. einer Blutentnahme (unbedingt notwendig bei alten, kranken Tieren) unterzogen werden um die Narkosefähigkeit abschätzen zu können
- Der Tierhalter sollte eingehend über den Eingriff aufgeklärt werden.
- Anästhesiekundige Helferinnen und ausreichende Notfallausrüstung für Narkosezwischenfälle sollten vorhanden sein. Wir haben das Glück, eine Anästhesieschwester aus der Humanmedizin mit an Bord zu haben 🙂
- Die Durchführung der Narkose darf nur durch den Tierarzt erfolgen
- Am Tag der OP sollte erneut ein kurzer Gesundheitscheck (Kreislauf, Atmung) vor der Narkose vorgenommen werden
- Sedation (bei uns mit Schlaf- UND Schmerzmitteln)
- Das Legen eines Venenkatheters vor oder spätestens während der Sedation ist obligat.
- Dauertropfinfusion für die gesamte Narkosezeit
- Intravenöse Einleitung der Vollnarkose mit nachfolgender intratrachealer Intubation (in die Luftröhre)
- Inhalationsnarkose oder gesteuerte Injektionsnarkose (TIVA)
- Erfassung sämtlicher Vitalparameter während der gesamten Narkose bis in die Aufwachphase
- bei uns: Anschluß des Patienten an einen Überwachungsmonitor und somit regelmäßige Messung von Blutdruck, Temperatur, EKG, Herz- und Atemfrequenz, Sauerstoffsättigung des Blutes, Kapnometrie (Messung des CO2-der Ausatemluft) über die gesamte Narkosedauer
- DIE MINDESTANFORDERUNG NACH DER LEITLINIE IST DER EINSATZ EINES PULSOXYMETERS (SAUERSTOFFSÄTTIGUNG+HERZFREQUENZ)
- regelmäßige Dokumentation dieser Werte und des OP-Verlaufs im Narkoseprotokoll
- Überwachung der Aufwachphase
Unsere Narkosepatienten werden nach dem Aufwachen an ihre Besitzer übergeben, dürfen die Praxis aber erst verlassen, wenn sie selbständig stehen oder sitzen können! Außerdem bekommen unsere Tierhalter ausführliche Informationen über weitere erforderliche Maßnahmen (Medikation, Verhalten bei auftretenden Problemen, Kontrollen in der Praxis)
Solcher Aufwand (inkl. Vorbereitung und anschließender Reinigung/Desinfektion) mit viel Medizintechnik und Personal kostet uns auf Dauer einiges an Geld. Damit Operationen betriebswirtschaftlich tragbar sind, müssen wir diese Kosten auch zusammen mit der Operation berechnen!
Wir könnten natürlich auch zu Billigpreisen arbeiten- werden dann aber bald insolvent sein, weil wir Technik und Personal nicht mehr bezahlen können oder wir könnten auf die Qualitätsstandards der Leitlinie verzichten und zurückkehren zu steinzeitlichen Narkosen zum Dumpingpreis, was mit Sicherheit die Sterberate der Narkosepatienten deutlich erhöht!
Auf keinen Fall dürfen Tiere noch tief schlafend ihren Besitzern mitgegeben werden, denn mehr als 50% der der Todesfälle treten nach der Operation, in der Aufwachphase, auf!
Sie als Tierhalter haben es in der Hand!
Informieren Sie sich nicht nur über Preise, sondern auch über die entsprechenden Umstände! Fragen Sie nach Art der Narkose, nach Infusion, Narkoseüberwachung und Narkoseprotokoll um sicher zu gehen, dass Ihr Tier in guten Händen ist. Achten sie auch besonders auf die Gabe von Schmerzmitteln vor und nach der Operation. Je nach Art des Eingriffs, sollten die Tiere regelmäßig (z.T. auch stärkere) Schmerzmittel für mehrere Tage nach der Operation erhalten. Dies sollte eigentlich mittlerweile auch in der “tiermedizinischen Welt” eine Selbstverständlichkeit sein, ist es aber unserer Erfahrung nach nicht! Kastrierte weibliche Katzen und Hunde erhalten bei uns zum Beispiel mind. 2-3 Tage Schmerzmittel, Zahnpatienten bis zu 10 Tage.
Zögern Sie bitte nicht, Ihren Tierarzt zu kontaktieren, sobald Ihr operiertes Tier zuhause Probleme hat, zum Beispiel nicht frisst oder sich zurück zieht. Oft sind vermeidbare Schmerzen die Ursache.
Klären Sie die Leute auf, wenn unter Tierhaltern mit Billigstpreisen geprahlt wird!
Hier gehts zur Leitlinie https://www.dvg.net/fileadmin/Bilder/DVG/PDF/Leitlinien/16-08-17-Leitlinie_Anaesthesie_bei_Hund_und_Katze_Langversion_17_08_2016.pdf
Übrigens auch bei der ZAHNSANIERUNG lassen sich Kosten sparen, durch unprofessionelle Zahnbehandlung:
- Zahnsteinentfernung durch den Tierfriseur ohne Narkose
- Zahnsteinentfernung unter Vollnarkose, alleine durch eine Tierarzthelferin (meist ohne spezielle Ausbildung)
- ohne Einhaltung der Narkoseleitlinie
- ohne professionelle Befunderhebung mit Sonde und Dentalröntgen bzw. spezieller Zusatzfortbildungen
- Zahnbehandlungen, bei denen Wurzelreste oder ganze Zähne (, die dringend gezogen gehören!) zurückgelassen werden… Sehen wir auch immer wieder….
- Wunden, die nach Zahnextraktion nicht verschlossen werden……
Das führt, neben einem erhöhten Narkoserisiko, allerdings nur zu äußerlich kosmetisch einwandfreien Zähnen und nicht zur professionellen Behandlung bzw. Gesunderhaltung der Maulhöhle. Ohne Dentalröntgen werden bei der Katze 40 und beim Hund 30 Prozent der klinisch relevanten Befunde übersehen!
Wie wir professionelle Tierzahnheilkunde durchführen, lesen Sie hier: https://www.fellundschnauze.de/zahnheilkunde/