Zahnheilkunde
Die Tiefe der Zahngesundheit bei Tieren
In der Tierarztpraxis Dr. Anette Gürtler sind wir uns bewusst, dass die Zahngesundheit unserer tierischen Freunde wie ein Eisberg ist – wir sehen mit sichtbaren Zahnproblemen wie Zahnstein oder abgebrochenen Zähnen nur die Spitze. Die tatsächlichen gesundheitlichen Auswirkungen reichen jedoch weitaus tiefer: Vernachlässigte Zahnprobleme und Zahnfleischentzündungen können gravierende Konsequenzen für die Gesundheit und das Wohlbefinden Ihrer geliebten Haustiere haben. Genau deshalb ist die Behandlung dieser Erkrankungen bei Tieren von großer Bedeutung.
Hier sind einige wichtige Aspekte, die verdeutlichen, warum die Behandlung von Zahnproblemen und Zahnfleischentzündungen bei Tieren unerlässlich ist:
Auswirkung von unbehandelten Zahnproblemen
- Schmerzen und Unbehagen
- Gesundheitliche Komplikationen
- Verhaltensänderungen
- Schmerzen und Unbehagen: Zahnprobleme wie abgebrochene Zähne, Zahnresorptionen und andere Entzündungen in Zahnfleisch und Kieferknochen, sowie Tumore können Überempfindlichkeiten und Schmerzen verursachen. Auch die Nahrungsaufnahme kann gestört sein.
- Gesundheitliche Komplikationen: Unbehandelte Zahninfektionen und Parodontitis breiten sich über den ganzen Körper aus und führen zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen. Besonders betroffen sind Nieren, Leber, Herz und Gelenke. Insgesamt kommt es zu einer erhöhten Infektanfälligkeit. Im schlimmsten Fall kommt es zum Tod durch Blutvergiftung (Sepsis).
- Verhaltensänderungen: Manche Tiere zeigen aufgrund der Schmerzen Verhaltensänderungen, die das Zusammenleben beeinträchtigen. Dies kann sich zum Beispiel in aggressivem Verhalten oder auch in Rückzug oder besonders ungewohnter Anhänglichkeit äußern.
Hinweis: Häufig zeigen aber die Tiere keinerlei Auffälligkeiten, sie leiden stumm.
Alle diese Aspekte führen insgesamt im Laufe der Zeit zu einer enormen Einschränkung der Lebensqualität und auch der Lebenszeit der betroffenen Tiere.
Sie denken, dass Zahnerkrankungen bei Tieren ein Randphänomen sind? Dann haben wir hier ein paar Zahlen für Sie, die Sie umstimmen werden:
- 80% aller Erkrankungen, die Hunde und Katzen in Ihrem Leben haben, finden in der Maulhöhle statt
- 80% aller Hunde und Katzen über 3 Jahre leiden an Erkrankungen der Maulhöhle
- 70% aller Katzen weisen schmerzhafte Zahndefekte (Zahnresorptionen) auf
- 64% aller Tiere haben Parodontitis (Zahnbetterkrankungen)
- 100% dieser Erkrankungen wirken sich negativ auf das Wohlbefinden, die allgemeine Gesundheit und die Lebenserwartung der Tiere aus.
Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen sind von großer Bedeutung, um schwerwiegenden Erkrankungen in der Maulhöhle rechtzeitig vorzubeugen. Diese umfassen folgende Untersuchungen:
1. Während des Welpenalters von Hunden und Katzen ist es wichtig, regelmäßige Gebisskontrollen durchzuführen. Diese sollten bis zum Abschluss des Gebisswechsels erfolgen, der in der Regel mit etwa 6-7 Monaten abgeschlossen ist.
- Hierfür ist eine fachkundige Tierärztin oder ein fachkundiger Tierarzt mit Weiterbildung im Bereich der Tierzahnheilkunde notwendig. Es ist wichtig zu betonen, dass Tierärzte diese Expertise nicht während ihres regulären Studiums erwerben.
- Frühzeitige Erkennung und Behandlung von Gebissfehlbildungen führen in der Regel zu kürzeren Behandlungszeiträumen, geringerer Intensität der Behandlungen und damit verbundenen Kosten.
2. Bei erwachsenen Tieren sollte eine jährliche zahntierärztliche Gebisskontrolle durchgeführt werden, sofern keine bereits manifesten Erkrankungen vorliegen, die eine häufigere Überprüfung erfordern, wie zum Beispiel chronische Zahnfleischerkrankungen bei Katzen.
3. Tierhalterinnen und Tierhalter sollten ebenfalls regelmäßige Gebisskontrollen bei ihren Tieren vornehmen.
- Viele Schmerzen und Veränderungen in der Maulhöhle entwickeln sich schleichend und werden von den Tieren nicht offensichtlich gezeigt. Tierhalter übersehen diese Anzeichen oft. Daher ist es empfehlenswert, Hunden und Katzen beizubringen, sich regelmäßig in das Maul schauen zu lassen.
- Dies kann am besten durch ein tägliches Zahnputzritual erreicht werden, bei dem Tierhalterinnen und Tierhalter von einer erfahrenen zahnkundigen Tierarztpraxis angeleitet werden. Idealerweise sollte das Zähneputzen alle 24 bis 48 Stunden erfolgen.
- Falls das Zähneputzen nicht möglich ist, sollten Tierhalterinnen und Tierhalter die Maulhöhle mindestens einmal wöchentlich auf Verletzungen, Verfärbungen und Ablagerungen an Zähnen und Zahnfleisch kontrollieren.
Tiere können keine verbalen Beschwerden äußern. Wir gehen aber davon aus, dass sie die gleichen Schmerzen haben wie wir. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, auf subtile Veränderungen im Verhalten und in der Gesundheit zu achten und ggf. zahntierärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Es ist ratsam, auf folgende Anzeichen bei Ihrem Tier zu achten:
- Plötzliche Veränderungen im Fressverhalten: Beispielsweise vermehrtes Sabbern, einseitiges Kauen oder das unerwartete Fallenlassen von Futterstücken können auf akute Schmerzen hindeuten.
- Plötzliche Veränderungen im Verhalten: Plötzliche Reizbarkeit, Unruhe oder das Meiden von Berührungen im Kopfbereich könnten ebenfalls auf Zahnschmerzen hinweisen.
Uns liegt besonders am Herzen:
In unserer täglichen Praxis beobachten wir leider oft, dass Tiere erst dann vorgestellt werden, wenn sich Veränderungen in der Maulhöhle und im allgemeinen Gesundheitszustand bereits stark fortgeschritten haben und das Leiden deutlich spürbar ist. Abzuwarten, bis unangenehmer Maulgeruch, Zahnverlust oder Futterverweigerung auftreten, ist definitiv zu spät. Zu diesem Zeitpunkt ist eine rechtzeitige Intervention nicht mehr möglich. Ähnlich wie beim Menschen lässt sich beispielsweise eine fortgeschrittene Parodontitis nicht mehr rückgängig machen. Höchstens kann der Fortschritt mühsam aufgehalten werden, wobei oft bereits unbemerkt Organe wie Herz und Nieren geschädigt sind.
Wenn Sie eines dieser Anzeichen bemerken oder Bedenken haben, zögern Sie nicht, uns uns zu kontaktieren.
Durch unsere Diagnoseverfahren und Therapieansätze ermöglichen wir eine rechtzeitige Erkennung und Behandlung von Zahnproblemen, um mögliche Schmerzen zu minimieren und das Wohlbefinden der Tiere zu fördern. Im Folgenden möchten wir Ihnen einen Einblick in unsere Ansätze zur Diagnose und Behandlung von Zahnerkrankungen bei Tieren geben:
- Eingehende klinische Untersuchung: Die klinische Untersuchung des Patienten ist der erste Schritt bei der Bewertung der Gesamtgesundheit und der Zahngesundheit eines Tieres. Wir beginnen in der Maulhöhle und überprüfen das Zahnfleisch, suchen nach Anzeichen von Entzündungen, Zahnstein oder Verlust von Zähnen. Die Lymphknoten im Bereich des Kopfes werden ebenfalls untersucht. Diese Schritte ermöglichen es, offensichtliche Probleme zu erkennen und erste Anhaltspunkte für weiterführende Diagnoseverfahren zu gewinnen. Danach folgt die Auskultation von Herz und Lunge. Das ist unerlässlich, um eine Beeinträchtigung der Organfunktionen und damit eine Gefährdung einer eventuellen erforderlichen Narkosefähigkeit auszuschließen.
- Blutuntersuchungen: Blutuntersuchungen, können je nach Alter und/oder Vorerkrankung des Tieres notwendig sein um Informationen über den aktuellen Gesundheitszustand des Tieres liefern. Dies ist ebenfalls besonders wichtig für die Einschätzung der Narkosefähigkeit. Außerdem können Entzündungen in der Maulhöhle auch auf bestimmte systemische Erkrankungen hinweisen. Dazu gehören zum Beispiel FeLV/FIV-Infektionen bei der Katze. Erkrankungen, die bei Hund und Katze sehr eng in Wechselwirkung mit Entzündungen in der Maulhöhle stehen, sind Diabetes mellitus und CNE (Chronische Nierenerkrankungen).
Diagnostik/Behandlungen, die nur unter Vollnarkose des Tieres stattfinden können:
- Zahnreinigung mittels Ultraschallscaler, hinterher Politur zur Glättung der Zahnoberflächen.
- Digitales Dentalröntgen: Diese Technologie ist von unschätzbarem Wert, um verdeckte Zahnprobleme aufzudecken. Sie ermöglicht eine Einsicht in den Zustand der Zähne unter der Oberfläche, wie zum Beispiel Wurzelentzündungen oder Knochenverlust. Da viele zahnbezogene Probleme bei Tieren nicht auf den ersten Blick erkennbar sind, ist dies von besonderer Bedeutung. Tatsächlich können 40 % aller behandlungsbedürftigen Zahnerkrankungen nur durch Röntgenuntersuchungen identifiziert werden.
- Sondierung: Die Sondierung in der Maulhöhle wird verwendet, um den Zustand des Zahnfleisches und die Tiefe von Zahnfleischtaschen zu bewerten (Parodontalstatus) und mögliche Zahnresorptionen an den Zahnkronen zu diagnostizieren.
- Behandlung von Parodontitis und Gingivostomatitis
- Zahnextraktionen geschlossen und offen (unter Entfernung des Alveolarknochens)
- Versiegelung von Schmelzdefekten
- Biopsien: Bei Verdacht auf schwerwiegende Erkrankungen können Biopsien durchgeführt werden, um Gewebeproben zu analysieren. Dies ermöglicht eine genaue Diagnose von Tumoren oder anderen pathologischen Veränderungen im Mundbereich.
- Behandlung (je nach Art) von Umfangsvermehrungen in der Maulhöhle
Hinweise: Wir führen keine Zahnbehandlung bei Heimtieren (Meerschweinchen, Kaninchen usw.) durch, können Sie aber bei Bedarf an versierte Kollegen verweisen. Folgende Behandlungen sind geplant: Wurzelkanalbehandlung, Behandlung von Zahnfrakturen (Füllungen), kieferorthopädische Behandlung
Wichtig: Diagnose und Therapie in der Maulhöhle erfolgen in der Regel während derselben Sitzung unter Vollnarkose. In einigen Fällen, wie beispielsweise bei Tumorerkrankungen, kann es notwendig sein, unsere Patienten nach der ersten Behandlungs- oder Diagnosesitzung an spezialisierte Fachleute zu überweisen. In manchen Fällen kann das Ausmaß der notwendigen Maßnahmen, wie zum Beispiel eine “vollständige Extraktion sämtlicher Zähne in der Maulhöhle”, so umfangreich sein, dass wir aus Rücksicht auf die Gesundheit des Tieres einen zweiten Narkosetermin als erforderlich erachten.
- Vorabuntersuchung und Prämedikation: Vor der eigentlichen Zahnbehandlung erfolgt kurz vorher eine Untersuchung des Herz-/Kreislaufsystems Ihres Tieres den Narkosefähigkeit hat für uns höchste Priorität. Danach wird eine Prämedikation durchgeführt, eine Kombination aus starken Schmerzmitteln und Beruhigungsmitteln, um vor der Vollnarkose für höchsten Komfort zu sorgen. Die Auswahl der Medikamente wird immer dem entsprechenden Gesundheitszustand des einzelnen Tieres angepasst.
- Narkoseeinleitung und -überwachung: Die eigentliche Narkose beginnt mit der Einleitung mithilfe von Propofol oder ähnlichen Medikamenten, das intravenös verabreicht wird. Sobald das Tier einen tiefen Narkosezustand erreicht hat, folgt die Intubation, d.h. ein Einmaltubus aus PVC wird zur Beatmung über den Kehlkopf in die Luftröhre geschoben und fixiert. Die Narkoseaufrechterhaltung erfolgt durch eine Inhalationsnarkose mit Isofluran, um sicherzustellen, dass Ihr Tier während des Eingriffs in einem tiefen Schlafzustand bleibt. Es werden Bilder des Gebisszustands vor und nach der Behandlung aufgenommen.
Während der gesamten Narkosephase erfolgt eine intensive Überwachung durch eine erfahrene Helferin. EKG, Blutdruck, Körpertemperatur, Herz- und Atemfrequenz, Sauerstoffsättigung und CO2-Ausatmung werden regelmäßig kontrolliert und dokumentiert.
- Professionelle Zahnreinigung: Wir starten mit der professionellen Reinigung von Zähnen und Zahnfleischtaschenmittels Ultraschallscaler und Küretten, um Röntgenaufnahmen nicht durch Zahnstein zu beeinträchtigen.
- Dentales Röntgen: Digitales Dentalröntgen aller Alveolarknochen (zahntragend) ist unerlässlich für präzise Diagnosen. Besonders wichtig ist auch das Ausschließen von Wurzelresten oder retinierten (nicht hochgewachsenen) Zähnen
- Parodontalstatus-Bestimmung: Jeder Zahn und das Zahnfleisch werden mittels spezieller Sonden untersucht, um den Parodontalstatus zu bestimmen. Diese genauen Ergebnisse sind entscheidend für die weiteren Behandlungsoptionen.
- Individuelle Behandlungsmaßnahmen: Basierend auf den Befunden planen wir individuelle Behandlungen wie Zahnextraktionen, Parodontologische Therapie, Gingivektomie, Versiegelung von Schmelzdefekten und Gewebeprobenentnahmen.
- Schmerzminimierung bei Zahnextraktion: Lokalanästhesie wird vor Zahnextraktionen eingesetzt, um Schmerzen während und nach der Narkose zu minimieren und eine Belastung des gesamten Organsystems mit zusätzlichen Schmerzmitteln zu vermeiden. Je nach Zustand der Zähne und Anzahl der Wurzeln erfolgt eine geschlossene oder offene Extraktion.
- Röntgenkontrolle und Wundverschluss: Jede Zahnextraktion wird durch eine Röntgenkontrolle überprüft, um Wurzelreste auszuschließen. Anschließend erfolgt der Wundverschluss mittels resorbierbarem Faden.
- Politur: Abschließend erfolgt eine Politur, um erneute Plaqueanhaftung zu erschweren an Zähnen und Zahnhälsen zu erschweren.
- Postoperative Therapie und Wundheilung: Je nach Umfang des Eingriffs und Ausmaß der Erkrankung erhält der Patient Schmerzmittel, Antibiotika und Desinfektionsgel für die Maulhöhle. Die Wundheilung wird nach 7-10 Tagen kontrolliert.
- Aufwachphase und Aufklärung: In der Regel begleiten die Besitzer die Aufwachphase ihrer Tiere. Die Entlassung erfolgt erst nach Abschluss der Aufwachphase und Erreichen eines stabilen Kreislaufzustands, wenn die Tiere selbstständig sitzen oder stehen können. Dies gewährleistet ein schonendes Aufwachen aus der Narkose und verringert das Risiko für postoperative Komplikationen.
Anhand von Fotos und Röntgenbildern erklären wir Ihnen die Befunde und durchgeführten Maßnahmen. Wir bieten Ihnen detaillierte Anweisungen zur Nachsorge.